Anleitungen als Marketinginstrumente

Martin Post

Dieser Artikel wurde ursprünglich als Teil einer Artikelserie auf LinkedIn veröffentlicht:

Dieser Artikel wurde ursprünglich als Teil einer Artikelserie auf unserer LinkedIn-Seite veröffentlicht:

  1. Über die verlorene Kunst, eine 1000-seitige Anleitung wütend in die Ecke zu feuern
  2. Intelligente Dokumentation für Ihr Support-Team
  3. Anleitungen als Marketinginstrumente
  4. Zukunftssichere, AI-kompatible Produktliteratur
  5. Open-Source-Software und digitale Souveränität
  6. Single-Source Publishing: The Song Remains the Same
  7. Übersetzungsworkflows: Vom Fließband zur intelligenten Zusammenarbeit

Foto von Natalia Gasiorowska / Unsplash

Man sagt, dass „niemand Anleitungen zum Vergnügen liest”. Nun, „man” sollte wissen, dass Menschen wie ich schon froh wären, wenn die Leute überhaupt mal in eine Anleitungen schauen würden. Andererseits wären viele Frauen froh, wenn Männer nach dem Weg fragen würden, anstatt störrisch bis nach Marrakesch durchzufahren, also bleiben wir realistisch.

Kann eine Anleitung unterhaltsam sein? Sollte es das sein? Und hat Humor etwas mit Musik zu tun? Die Antwort weiß nur Frank Zappa.

Vor Jahrzehnten waren Anleitungen für Hightech-Geräte Kunstwerke – nicht nur präzise, sondern oft auch eine fundierte und liebevoll geschriebene Wissensquelle für neue Konzepte und Technologien.

(Hinter jedem einzelnen „Und um Himmels willen, stecken Sie niemals [A] in [B]!” in einer Anleitung verbirgt sich eine interessante Geschichte und ein teurer Versicherungsfall. Daraus sollte eigentlich mal jemand eine Fernsehsendung machen.)

Im Jahr 2006 komponierte und arrangierte der viel zu früh verstorbene isländische Komponist Jóhann Jóhannsson „IBM 1401, A User’s Manual“ – ein Studioalbum, das nicht nur von der genannten Anleitung inspiriert war, sondern auch Klänge aus den elektromagnetischen Emissionen des Dezimalcomputers IBM 1401 enthielt. Sollten Sie jemals mit einem Paar erstklassiger Lautsprecher in einem Raum finden und eine Stunde Zeit haben – tun Sie sich einen Gefallen und hören Sie sich Jóhannssons Komposition an. Sie ist von eindringlicher Schönheit.

Es gibt also Anleitungen, die einen zum Weinen bringen (im positiven Sinne), aber lassen Sie uns heute mit etwas weniger Anspruchsvollem begnügen: Anleitungen, die Ihre Marketingbemühungen unterstützen können; eine Art Bariton im Chor Ihrer Marke, der ein wenig wie Vangelis in seinen besten Jahren aussieht (d. h. irgendwo zwischen 25 und 80).

Frauen kommen von der Venus, Männer vom Mars. Marketingtexte werden von den klugen jungen Leuten in der obersten Etage der ACME-Zentrale geschrieben, während Anleitungen von Dave im Keller verfasst werden, und nie werden ihre Pfade sich kreuzen.

Aber lassen Sie uns das alles noch einmal überdenken.

Marketingtexte sollen die (Vorverkaufs-)Geschichte erzählen („Warum?“) und die Menschen für das Produkt begeistern, während die Anleitung alle „Wie?“-Fragen beantworten soll, sobald es zu einem Abschluss gekommen ist. Aber sind das wirklich völlig getrennte Welten?

Viele Menschen – man kann sie als abgebrühte Skeptiker oder „kluge Verbraucher“ bezeichnen, und wahrscheinlich gefällt ihnen die zweite Variante besser – schauen erst einmal hinter die glänzende Fassade der Marketingliteratur, um herauszufinden, ob ein neues Produkt wirklich gut zu ihrem bestehenden Technologie-Ökosystem passt. Welche Formate und Standards unterstützt es? Können bereits vorhandene Zubehörteile damit verwendet werden? Gibt es eine App (und läuft sie auf ihrem Palm Pilot 5000)?

Es ist unmöglich, all diese Informationen auf der Produktseite darzustellen. Daher werden neugierige Anwender versuchen, die Anleitung oder zumindest eine aussagekräftige FAQ auf der Website Ihrer Marke zu finden, bevor sie ein Produkt erwerben. Je einfacher Sie es diesen Menschen machen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit unangenehmer Folgen, die so viele Support- und Bewertungsforen füllen: „buyer’s remorse“ (Kaufreue), Frustration, negative Bewertungen und kostspielige Supportfälle.

Lassen Sie stattdessen lieber die Anleitungen ihre Seite der Produktgeschichte erzählen. Das ist vielleicht erst einmal nicht so verlockend wie die Sirenengesänge des Marketings – aber eine gute Anleitung kann schon vor dem Kauf relevante Informationen liefern, Geldbörsen öffnen und Nutzern das befriedigende Gefühl geben, das Gesuchte gefunden zu haben. Und da Web Manual sowohl von Menschen als auch Algorithmen leichter gefunden, verarbeitet und gelesen werden können, sollte dies Ihr bevorzugtes Format sein.

Betrachten wir nun die andere Seite der Geschichte – das Licht am Ende des Verkaufstrichters, den Morgen nach der Hochzeitsnacht. Das Produkt wurde gekauft, ausgepackt und von jedem Mitglied des Haushalts bewundert, das sich nicht mit einer gute Ausrede davonstehlen konnte … und nun ist Ihr Anwender mit dem Produkt und einem halben Dutzend „Was nun?“-Fragen alleine.

Dies ist eine weitere Gelegenheit für die Anleitung, sich von ihrer besten Seite zu zeigen – dieses Mal, indem sie sich (im wahrsten Sinne des Wortes) beim Marketing klug macht. Zu diesem Zeitpunkt ist die Anleitung wahrscheinlich das einzige Dokument, das neben dem gekauften Produkt auf dem Boden oder dem Schreibtisch liegt. Dies ist eine einzigartige Gelegenheit, dem Käufer die Hand auf die Schulter zu legen, ihm zu versichern, dass er das Richtige getan/gekauft hat, ihn auf Produktanwendungen hinzuweisen, die ihm vielleicht noch nicht bekannt sind, und ihn zu ermutigen, über die reine „Bedienung“ hinauszugehen. Die übliche Einleitung („Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen …“) ist natürlich eine gute Gelegenheit dafür – aber auch die Abschnitte „Weitere Informationen“, FAQs und Links zu Online-Informationen können hier ihren Teil tun. Mithilfe von QR-Codes können Nutzer von einer Kurzanleitung zum entsprechenden Abschnitt eines Tutorial-Videos oder einer (Web-/HTML-)Anleitung weitergeleitet werden. Wenden Sie sich an Ihren freundlichen Single-Source-Publishing-Spezialisten – er hat möglicherweise noch bessere Ideen, wie technische Produktliteratur und Marketingmaterialien miteinander verknüpft werden können.

Nächste Woche befassen wir uns mit zukunftssicherer, KI-freundlicher Produktliteratur. In der Zwischenzeit würde ich gerne erfahren, welche Rolle Produktliteratur im Universum Ihrer Marke spielt.

Sind Sie der Meinung, dass Ihre Marke das volle Potenzial der Produktliteratur im Marketing ausschöpft – und umgekehrt? Sollten wir die Pop-up-Bücher vergangener Tage wieder einführen, damit Ihre Markenbotschafter die Leser aus der Kurzanleitung heraus begrüßen können? Sprechen Sie Ihre technische Redaktion an – dort ist man sicher sehr interessiert an solch mutigen Visionen!


Nächste Woche: Zukunftssichere, AI-kompatible Produktliteratur

↻ 2025-10-02