Open-Source-Software und digitale Souveränität

Martin Post

Dieser Artikel wurde ursprünglich als Teil einer Artikelserie auf unserer LinkedIn-Seite veröffentlicht:

  1. Über die verlorene Kunst, eine 1000-seitige Anleitung wütend in die Ecke zu feuern
  2. Intelligente Dokumentation für Ihr Support-Team
  3. Anleitungen als Marketinginstrumente
  4. Zukunftssichere, AI-kompatible Produktliteratur
  5. Open-Source-Software und digitale Souveränität
  6. Single-Source Publishing: The Song Remains the Same
  7. Übersetzungsworkflows: Vom Fließband zur intelligenten Zusammenarbeit

Foto von Guy Bianco IV / Unsplash

_„I got my first real six-string …“ – Nein, Moment, meinen ersten im Sommer 1982. Für einen Teenager, der Computer nur aus Star Trek und anderen Science-Fiction-Serien kannte, war der Commodore 64 eine Traummaschine – ein magisches Gerät, das sich von einer Spielkonsole (Pac-Man!) oder einem rudimentären Musikproduktionswerkzeug in eine Schreibmaschine mit unendlichem Vorrat an virtuellem Papier verwandeln konnte. Ich war in diesem Jahr im Himmel, mit Wolken und Regenbögen in 16 herrlichen Farben.

Die Software für diese frühen Commodore- und Atari-Heimcomputer wurde auf 5,25-Zoll-Disketten verkauft (oder, wie Teenager heute sagen: „Oh, wie niedlich – sie haben das ‚Speichern‘-Symbol in 3D gedruckt!“).

Wenn man damals tatsächlich „Inhalte erstellte“ – also Pac-Man-Scores oder unvollendete Romane –, wurden sie auf diesen Disketten gespeichert (oder auf Kassetten, wenn man sich das edle Commodore-1541-Laufwerk nicht leisten konnte). Und obwohl ich von „Bulletin-Board-Systemen“ gehört hatte, erschien mir die Idee, Daten „woanders“ zu speichern, natürlich abwegig. Alles war „lokal“ und funktionierte (in der Regel). Wenn man Strom, einen Schreibtisch und einen Stuhl hatte, konnte man loslegen.

Wie jeder weiß, haben sich die Dinge seitdem ein wenig geändert.

Mitte der 90er Jahre kam das World Wide Web auf. Wir erstellten weiterhin Inhalte lokal – aber immer mehr davon wurden „anderswo“ veröffentlicht – auf Servern, die von Dienstleistern betrieben wurden. Dann kamen Content-Management-Systeme, Online-Datenbanken, ERP-Software und andere beeindruckende Entwicklungen hinzu. Nach und nach wanderten unsere Daten auf die Computer anderer Leute – ebenso wie die Tools, mit denen wir diese Informationen erstellt und verarbeitet haben. Das ist die Welt, in der wir heute leben, in der es für die meisten Nutzer außer dem Betriebssystem und einigen grundlegenden Produktivitätsanwendungen nur noch sehr wenige „lokale“ Dinge gibt. Slack, Notion, Google Docs und Sheets existieren online, während unser Computer nur noch eine Box mit einer weiteren, darin aufbewahrten Box (dem Browser) ist – eine Box, die ein paar zwischengespeicherte Daten enthält.

Das ist alles in Ordnung, solange es funktioniert: die Internetverbindung, der Remote-Server, auf dem Anwendungen und Daten gehostet werden, das Account – und, nun ja, unsere komplexe Beziehung zu all diesen SaaS-Anbietern, die noch komplexeren Geschäftsbedingungen unterliegen.

Es kann überraschend schwierig sein, Daten aus diesen Datensilos herauszuholen. Es liegt natürlich im Interesse der Dienstleister, Sie in ihrem digitalen „Hotel California“ zu halten. Abgesehen von Paranoia und Verschwörungstheorien ist es einfach ein gutes Geschäft, wenn Menschen und Unternehmen monatliche Gebühren für Anwendungsfunktionen und gemieteten Speicherplatz zahlen. Das wirft die Frage auf: Wenn Ihre Daten in Datenbanken auf virtuellen Maschinen gespeichert und über komplexe Vorlagen und Skripte verarbeitet werden wie Hackfleisch in einer Lebensmittelfabrik – wie viel davon gehört dann noch Ihnen? Wenn Sie die Zahlung für ein Abonnement einstellen und nicht mehr auf Ihre Dateien zugreifen können oder ein feindlicher Dritter den Systemzugriff unterbricht, wo stehen Sie und Ihr Unternehmen dann?

Wenn Sie sich diese Fragen gestellt haben, beschäftigen Sie sich mit digitaler Souveränität. Und das ist kein Synonym für Paranoia.

Digitale Souveränität ist ein komplexes und interessantes Thema – aber im Grunde geht es um „Dinge, die Ihnen gehören, und Dinge, die Sie wissen”; und wie so oft ist es gut, beide Bereiche abzudecken. Der Zugriff auf Ihre Dateien nützt Ihnen nichts, wenn Sie diese nicht öffnen oder zumindest relevante Daten extrahieren können. Anders ausgedrückt: Egal, wie raffiniert oder leistungsstark eine Anwendung auch sein mag – wenn es keine einfache Möglichkeit gibt, Ihre Daten daraus zu extrahieren, sollten Sie sich gut überlegen, ob Sie sie in Ihr Software-Arsenal aufnehmen möchten.

Die Abwesenheit undurchsichtiger „Datensilos“ ist eine der vielen Eigenschaften, die mich seit jeher für leichtgewichtige Markup-Sprachen, insbesondere Markdown, begeistern: Es handelt sich um ein Format, das von jemandem erfunden wurde (dem IT-Journalisten John Gruber aus dem schönen Philadelphia), das aber weder ihm noch jemand anderem gehört. Markdown ist im Grunde ein Konzept zum Hinzufügen von Markierungen zu Text, die sowohl von Menschen (die Markierungen „machen Sinn”, auch wenn man sie nie gelernt hat) als auch von Maschinen (die die Markierungen verarbeiten und in HTML, EPUB und andere Formate umwandeln können) interpretiert werden können. Markdown ist etwas, das man (er)kennt – und es gibt so viele Tools (sowohl kostenlose als auch kommerzielle, online und offline) für die Verarbeitung, dass es schwer vorstellbar ist, dass Sie jemals in eine Situation kommen, in der Sie Markdown einmal nicht schreiben oder veröffentlichen können.

Warum sollte Sie das interessieren?

Weil sich die Welt verändert – so, wie sie es eigentlich immer getan hat.

Vor dem Hintergrund zunehmender transatlantischer Spannungen sehen sich europäische Unternehmen einer wachsenden Zahl von Risiken gegenüber – in Bezug auf Aufrechterhaltung des Geschäftsbetrieb, Datenschutz und Compliance. Die Europäische Union erwägt seit einiger Zeit die Besteuerung digitaler Dienste, was möglicherweise Gegenmaßnahmen seitens der USA nach sich ziehen könnte. Das bedeutet, dass Unternehmen, die zur Erstellung, Speicherung, Verarbeitung und Veröffentlichung von Informationen auf digitale Systeme angewiesen sind (das heißt also: praktisch jedes einzelne Unternehmen der westlichen Welt), in ein transatlantisches Kreuzfeuer geraten könnten. Das bedeutet nun nicht, dass wir alle zu Schreibmaschinen (oder dem guten alten Commodore 64) zurückkehren sollten. Es kann jedoch nicht schaden, offene, bewährte Datenformate und leichtgewichtige Tools in Betracht zu ziehen.

Die Konvertierung Ihrer bestehenden Produktliteratur (insbesondere umfangreicher Anleitungen) von InDesign nach Markdown ist möglicherweise kein Allheilmittel, das alle Ihre IT-Probleme löst. Es ist jedoch ein wichtiger Schritt in Richtung der digitalen Souveränität, der es Ihnen ermöglicht, Produktinformationen auf eine Weise zu erstellen, zu teilen und zu veröffentlichen, die für Sie und Ihre Geschäftspartner von Vorteil ist.

Wenn Sie mehr über digitale Souveränität erfahren möchten, könnte Sie das neue Whitepaper von 9to5 Media Services zu diesem Thema interessieren. Sie können es direkt von uns erhalten. Der Preis: ein paar freundliche Worte.


Nächste Woche: Single-Source Publishing: The Song Remains the Same

↻ 2025-10-16