Single-Source Publishing: The Song Remains the Same
Dieser Artikel wurde ursprünglich als Teil einer Artikelserie auf unserer LinkedIn-Seite veröffentlicht:
- Über die verlorene Kunst, eine 1000-seitige Anleitung wütend in die Ecke zu feuern
- Intelligente Dokumentation für Ihr Support-Team
- Anleitungen als Marketinginstrumente
- Zukunftssichere, AI-kompatible Produktliteratur
- Open-Source-Software und digitale Souveränität
- Single-Source Publishing: The Song Remains the Same
- Übersetzungsworkflows: Vom Fließband zur intelligenten Zusammenarbeit
Als ich zwölf Jahre alt war, verliebte ich mich in Musik – nicht in ein bestimmtes Musikstück, aber in die Idee, die allumfassende Magie von Musik. Dies waren die 1980er Jahre, das Zeitalter der Synthesizer (und des Haarsprays – sehr viel Haarspray). Aber alle Songs, die mich bis heute begleiten, sind im Wesentlichen Melodien – Melodien, die in jedem erdenklichen Arrangement funktionieren.
Als ich jung war, gab es eine nahezu explosionsartige Entwicklung in der Studiotechnik. Synthesizer, Sampler und Signalprozessoren ermöglichten es Musikern und Produzenten, atemberaubende Klanglandschaften und ungehörte Effekte zu schaffen. Doch wenn man vier Jahrzehnte später die Nadel auf all diese wunderbaren Alben von Eurythmics, Prince, David Bowie und Kate Bush senkt, hört man als Erstes … Melodien. Ein wirklich großartiger Song funktioniert nicht nur als komplexe Mehrspurproduktion, sondern auch, wenn er live von einer vierköpfigen Band gespielt wird oder – als Lagerfeuerlied, nur mit einer Sechs-Saitigen und Freunden, die – nicht immer stimmsicher, aber begeistert – mitsingen.
Und damit kommen wir zu meinem Lieblings-Thema: Single-Source-Publishing.
Das Äquivalent zu Melodien im Publishing ist Ihre Geschichte/Ihr Content. Es sind die Worte – Artikel, Essays, White Papers und ja, auch Anleitungen –, die Sie auf dem Gerät getippt haben, das Sie gerade zur Hand hatten – sei es im Flugzeug, im Zug oder auf dem Pogo-Stick. Alles andere ist (Post-)Produktion.
Im vergangenen analogen Zeitalter waren Inhalt und Präsentation eins: handgeschriebene und getippte Geschichten, Seiten mit Rändern, Flecken und Kritzeleien. Dann kamen „Textverarbeitungsprogramme“ (ein seltsamer, steampunkartiger Begriff, der an Zahnräder und Fließbänder voller Bleibuchstaben erinnert) und Layout-/Designanwendungen. Dennoch konnten die meisten Tools nur ein Dateiformat verarbeiten, bei dem Stile der Präsentation zugeordnet wurden und Dokumente gedruckt oder als PDFs „gerendert“ wurden.
Und was ist nun mit dem World Wide Web? Microsoft führte erstmals in Word 97 eine HTML-Exportoption ein, und das war … eine recht spezielle Geschichte (wenn Sie damals Webseiten erstellt haben, wissen Sie wahrscheinlich, wovon ich rede). Eine ganze Mini-Industrie entstand rund um die Bereinigung dieser HTML-Rattenkönige, und selbst heute noch kann der Export von verschiedensten Datenformaten aus Adobe InDesign zu … äußerst interessanten Ergebnissen führen. Machen wir uns nichts vor: Im Kern handelt es sich hier immer noch um Werkzeuge zur Erstellung von Broschüren und Zeitschriften, während alles andere oft erkennbar lieblos angetackert wurde.
Modernes Single-Source-Publishing hingegen bringt das, was Softwareentwickler seit vielen Jahren schätzen, auch in die Domäne der Autoren: die Trennung von Domänen (Separation of concerns). Und das ist eine wirklich wundervolle Sache. Nun, eigentlich sind es drei wundervolle Sachen: Der Inhalt (was Sie sagen möchten – also die Melodie), die Präsentation (wie es aussehen oder klingen soll) und die Logik (was Sie mit dem Inhalt tun oder Ihren Lesern ermöglichen möchten) können nun einzeln behandelt werden. Und je flexibler ein solches System ist, desto mehr zusätzliche Dimensionen/Vektoren können Sie erschließen.
Konkret und beispielhaft: Schreiben Sie Ihren Text. Exportieren Sie ihn als HTML. Fügen Sie ein ansprechendes klassisches Stylesheet mit benutzerdefinierten Serifenschriften für einen bestimmten Verwendungszweck oder eine bestimmte Zielgruppe hinzu. Fügen Sie einen Nachtmodus für Ihre App hinzu. Verwenden Sie JavaScript, um ein Inhaltsverzeichnis oder eine Paginierungsfunktion zu erstellen. Extrahieren Sie wichtige Begriffe und erstellen Sie einen verlinkten Index. Exportieren Sie EPUB und konvertieren Sie es in AZW3 für Kindle. Lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf.
Im Zeitalter großer Sprachmodelle und Text-to-Media-Modelle haben Autoren und Marken mehr Möglichkeiten als je zuvor, die Natur von Inhalten zu überdenken und zu entscheiden, welche Transformationen diesen Inhalten mehr Tiefe und Bedeutung verleihen könnten (oder mehr Umsatz erzielen könnten, denn – seien wir realistisch – irgend jemand muss schließlich die Miete zahlen). LLMs können Inhalte kommentieren oder Zusammenfassungen erstellen (vergleichbar mit Remixes in der Musikproduktion). Es können Workflows eingerichtet werden, um relevante Illustrationen oder Videos automatisch in Dokumente einzufügen. Wenn Sie zu beschäftigt sind, um Ihr Plain-Text-Dokument mit Überschriften zu strukturieren, lassen Sie das doch – wie fast alles andere – von ChatGPT erledigen. Markdown (siehe meine früheren Beiträge in dieser Reihe) ist das perfekte Format, um Inhalte aus mehreren Quellen zusammenzuführen, ohne sich um Formate kümmern zu müssen – diese Forsamte werden „post mortem“ angewendet. Kurz gesagt: Wenn man weiß, was man tut, lässt Single-Source-Publishing Inhalte in jedem denkbaren Kontext glänzen – jetzt und in Zukunft.
Um das bekannte allerletzte Panel des allerletzten Calvin-und-Hobbes-Comics zu paraphrasieren: „Lass uns auf Entdeckungsreise gehen!“
Nächste Woche: Übersetzungsworkflows: Vom Fließband zur intelligenten Zusammenarbeit
↻ 2025-10-24